Schulbereitschaftsstrategie

Eine neue Strategie ist jeweils ein Meilenstein in der Entwicklung einer Organisation, ein Marschhalt, um das Gelernte zu überdenken, Ballast abzuwerfen und neue Opportunitäten wahrzunehmen. Der Stiftungsrat und das Management haben sich für den Strategieprozess viel Zeit genommen und in mehreren Etappen die Schulfähigkeitsstrategie der kommenden Jahre entwickelt. Im Zentrum stand die Frage, in welcher Nische die Stiftung ihre Kompetenzen und ihr festgelegtes Budget im definierten Zeitraum am wirkungsvollsten einsetzen kann.

Was haben wir aus der vergangenen Strategie gelernt?

Mit der letzten Strategie hat sich die Roger Federer Foundation bereits konsequent einer Fokussierung verschrieben. Geografisch entschied sich der Stiftungsrat nebst der Schweiz von Südafrika aus über die Jahre langsam in die Region des südlichen Afrikas hineinzuwachsen, so dass wir letztlich in sechs Ländern aktiv waren. Bei der Auswahl der Länder war für uns die Homogenität der Bildungssysteme und der englische Sprachhintergrund wegleitend, was viele Lernsynergien bei den Projekten entfaltete. Die Konzentration auf eine Region erhöhte zudem unsere Management-Effizienz, zumal wir 2016 ein Regionalbüro in Johannesburg mit drei lokalen Mitarbeitenden eröffneten.

Thematisch förderte die Stiftung ausschliesslich die Qualität der Bildung von Kindern. Dies geschah mit einer bunten Auswahl an wirkungsvollen Projekten, welche von sorgfältig ausgewählten lokalen Partnern umgesetzt wurden. Externe Evaluationen haben hinlänglich die langfristige Wirkung dokumentiert. Von Beginn weg investierten wir etwa hälftig zum einen in die Frühförderung und zum anderen in die Primarschulqualität. Die konsequente Fokussierung hat sich für die Stiftung als sehr positiv herausgestellt. Das Team konnte sich dadurch zu eigentlichen Bildungsexperten entwickeln und hat verschiedene Ansätze unserer Partner begleitet und getestet. In der Region konnten wir unser Profil als Organisation schärfen und ein Netzwerk an thematischen Mitstreitern aufbauen. Auch verfügen wir über exzellente lokale Partner, ohne deren unermüdlichen Einsatz und grossen Knowhow die guten Resultate der letzten Jahre nicht möglich gewesen wären.

Nebst der thematischen Ausrichtung hat uns aber insbesondere unser Ansatz geprägt. In all unseren Projekten haben wir auf die Stärkung der bestehenden lokalen Kräfte gesetzt. Der Aufbau fehlender Kapazitäten und Wissen war von zentraler Bedeutung. Nicht wir haben Veränderungen bewirkt, sondern die Tatkraft der lokalen Bevölkerung, die sensibilisiert und mobilisiert die Lösung für ihre Bildungsprobleme selbst herbeigeführt haben mit unserer komplementären Unterstützung. Dieser Selbsthilfeansatz führte erwiesenermassen zu Nachhaltigkeit nicht nur im Bildungswesen, sondern darüber hinaus in der ganzen Dorfstrukturen.

Nichtsdestotrotz gibt es strategischen Verbesserungsbedarf. Die Zielgruppe der abgeschlossenen Strategie war ziemlich breit definiert, was zu komplett verschiedenen Bildungsprojekten mit verschiedenen Komponenten und unterschiedlichen Resultaten führte. Ein 12 jähriges Mädchen hat komplett andere Bildungsbedürfnisse als ein dreijähriges Kind. Das führte am Ende der Strategie zum unbefriedigenden Ergebnis, dass wir zwar über einer Million Kindern die Bildungsqualität messbar verbessern konnten. Darüber hinaus gab es aber keine projektübergreifenden Wirkungsindikatoren, die unseren Impakt als Stiftung widerspiegelten. Im Weiteren erzielten unsere Projekte auf Gemeinschafts- und Dorfebene entscheidende Veränderungen. Jedoch hatte unser Engagement mit Ausnahme von Malawi kaum systemische Wirkung auf nationaler oder gar regionaler Ebene. Dies hätte eine ganz andere Herangehensweise vorausgesetzt.

Die letzten Jahre haben uns zudem erkennen lassen, dass zwar viele staatliche wie nichtstaatliche Akteure sich entweder um Frühbildung oder Primarbildung kümmern, sich aber nicht der Transition und den Prozessen zwischen den beiden Sektoren annehmen. Doch genau bei diesem Umbruch im Leben der Kinder kann sehr viel schief laufen und negative Konsequenzen entfalten, die lebensbestimmend sein können. Nicht zuletzt hat die Verabschiedung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu einer globalen Agenda und Dynamik geführt. Wir sind alle aufgerufen, unseren Beitrag zur Erreichung der Ziele zu leisten. Es war uns daher ein grosses Anliegen, unser Engagement danach auszurichten.

Was ist unsere neue Strategie?

Die Roger Federer Foundation bleibt ihrem Empowerment-Ansatz treu, um in Armut lebende Kinder zu stärken. Die effektivste und nachhaltigste Wirkungstheorie der Veränderung, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Bereitstellung eines qualitativ hochwertigen Bildungssystems. Bildung ist nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch ein entscheidender Faktor, um den Kreislauf der Armut zu durchbrechen, die Gesundheit zu verbessern sowie die soziale Verantwortung und den Umweltschutz zu stärken. Trotz ihrer Bedeutung steckt die Bildung weltweit in der Krise. In vielen Fällen ist die Qualität unzureichend, Mindestlernziele werden nicht erreicht und Kinder gehen vorzeitig von der Schule ab. Für viele Kinder endet die Schule bereits nach wenigen Jahren in der Unterstufe. Ein wesentlicher und wissenschaftlich anerkannter Grund ist der mangelnde Zugang zu qualitativ hochwertiger Vorschulbildung in Entwicklungsländern.

Daher legen wir unseren Fokus in den kommenden sieben Jahren auf die jüngsten Lernenden – eine Nische, die global eindeutig unterfinanziert ist. Gerade die am stärksten gefährdeten Kinder, welche auf Bildung angewiesenen wären, um der Armutsfalle zu entkommen, haben oft keinen guten Start in die Primarschule. Der Übergang von zu Hause oder vom Kindergarten in die Grundschule ist hochsensibel und voller Herausforderungen. Wenn Kinder unzureichend auf die Schule vorbereitet sind oder nicht gut in das neue und selten altersgerechte Umfeld eingebettet sind, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie scheitern. Was bedeutet, dass sie sich nicht richtig entwickeln oder sogar die Schule vorzeitig verlassen. Entsprechend dem Nachhaltigkeitsziel 4.2 konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Verbesserung der Schulbereitschaft der Kinder, aber auch auf die Kinderfreundlichkeit der Schulen. 

Unser Ziel ist es, mehr als eineinhalb Millionen Kindern einen guten Bildungsstart zu ermöglichen. Kinder sollen Zugang zu mindestens einem Jahr organisiertem Lernen vor Schuleintritt erhalten. Wir engagieren uns dafür, dass die Kinder sich altersgerecht entwickeln und die ersten Schuljahre ohne Wiederholung oder Schulabbruch überstehen. Um ein dafür qualifiziertes System zu erzielen, sensibilisieren wir alle relevanten Akteure wie Eltern, Lehrpersonen, Gemeinschaften und zuständige Behörden für die Bedürfnisse der Kinder und nehmen sie in die Verantwortung. Dank dem Engagement dieser Akteure wird den Kindern der Zugang zur Vorschule ermöglicht und ihre Lernumgebung altersgerecht gestaltet. Prozesse sind etabliert, damit die Transition der Kinder in die Primarschule reibungslos erfolgt und sie sich in der neuen Lernumgebung schnell wohlfühlen. Die Kompetenzen der Lehrpersonen werden dank dezentraler und digitaler Weiterbildung in Lerngruppen ganzheitlich gefördert. Ein für jedes Land individuell und von lokalen Experten entwickelter Frühbildungskiosk in Form eines Offline-Tablets beinhaltet mannigfaltige Lerninhalte für Frühbildung, Elternarbeit, Bau eines Naturspielplatzes, Lehrmaterialentwicklung, Lesegeschichten oder einer App für die systematische Beobachtung und Analyse der Kindesentwicklung. Der Lerngruppenansatz fördert das gegenseitige Mentoring auf lange Sicht.

Ziel ist es, die Schulfähigkeitsinitiative in den sechs Ländern des bestehenden Engagements zu lancieren und pro Land in 1500 bis 3000 Institutionen umzusetzen. Das heisst, dass wir an die 12’000 Bildungsinstitutionen in den nächsten sieben Jahren erreichen werden. Dies geschieht in enger formaler Absprache und Zusammenarbeit mit den Behörden. Langfristig hoffen wir, dass der Frühbildungskiosk via Bildungsministerium auf alle relevanten Institutionen im Land Verbreitung findet.

Was sind die operationellen Konsequenzen?

Die neue Strategie hat von Grund auf einen innovativen und systemischen Ansatz. Dies erfordert einige Veränderungen in der operationellen Aufstellung der Roger Federer Foundation. Die Stiftung intensiviert und formalisiert ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren auf allen Ebenen. Sie wird selbst operationell tätig und koordiniert die Länderprogramme und die Entwicklung des Frühbildungskiosks. Ein Konsortium von lokalen Partnern implementiert das Programm, wobei die Organisationen verschieden gross und thematisch unterschiedlich sein werden. Mit einer Ausnahme konnten wir alle unsere bisherigen Partnerorganisationen von einem Engagement zugunsten der Schulfähigkeitsinitiative überzeugen. Es werden jedoch weitere Partner und auch punktuelle Mandanten hinzustossen, um die teilweise nationale Skalierung der Länderprogramme stemmen zu können.

Die Gesamtverantwortung für die Länderprogramme verbleibt bei der Roger Federer Foundation. Daher verstärken wir unsere Berichterstattung, Dokumentations- und Evaluationsleistungen und erweitern entsprechend unser Team. Eine enge Koordination der Schulfähigkeitsinitiative mit anderen nationalen und internationalen Akteuren ist unbedingt erforderlich. Roger Federer wird sich noch intensiver als Botschafter und Stiftungspräsident proaktiv für die gelungene Umsetzung der Strategie einsetzen, deren Budget mit 50 Millionen Schweizer Franken veranschlagt ist.